Intersexualität

Intersexualität Bedeutung

Intersexualität ist ein natürlicher Bestandteil der menschlichen biologischen Vielfalt und beschreibt eine Reihe von Variationen, bei denen eine Person nicht eindeutig in die Kategorien „männlich“ oder „weiblich“ passt. Diese Variationen können genetischer, hormoneller oder anatomischer Natur sein und betreffen zahlreiche Menschen weltweit. Dennoch wurden intergeschlechtliche Personen in vielen Gesellschaften historisch marginalisiert. Medizinisch pathologisiert und rechtlich oft nicht anerkannt.

In diesem Blogartikel beleuchten wir die biologische Vielfalt der Intersexualität, die medizinischen und gesellschaftlichen Herausforderungen sowie die rechtlichen Entwicklungen in Österreich.

Sollten Sie weitere Fragen zu Intersexualität haben oder sich in Ihrer persönlichen Situation Unterstützung wünschen, stehen wir Ihnen einfühlsam und kompetent zur Seite. Unsere spezialisierte Gynäkologin Dr. Ulrike Kaufmann berät Sie individuell und vertrauensvoll – vereinbaren Sie jetzt einen Termin und lassen Sie sich umfassend informieren.

 

Frauenärztin spezialisiert auf Transgender-Medizin, Hormonbehandlungen

 

Biologische Vielfalt der Intersexualität

Intersexualität umfasst verschiedene Formen biologische Variationen. Während viele Menschen XX- oder XY-Chromosomen haben, gibt es zahlreiche weitere genetische Kombinationen, wie in etwa XXY, XO oder auch Mosaikformen (zum Beispiel eine Mischung aus XX- und XY-Zellen).

Neben chromosomalen Variationen existieren auch Unterschiede in der Hormonproduktion oder Hormonempfindlichkeit, sowie in der Ausbildung der inneren und äußeren Geschlechtsorgane.

Diese Vielfalt zeigt ganz deutlich, dass das binäre Geschlechtersystem nicht alle biologischen Realitäten widerspiegelt.

Beispiele für intergeschlechtliche Variationen sind:

  • Androgenresistenzsyndrom (AIS): Personen mit XY-Chromosomen reagieren nicht auf Testosteron, was dazu führt, dass sie ein weibliches äußeres Erscheinungsbild entwickeln, obwohl sie innere Hoden besitzen.
  • Klinefelter-Syndrom (XXY): Diese Personen haben ein zusätzliches X-Chromosom, was zu geringer Körperbehaarung, Gynäkomastie (D Brustdrüse eines Mannes ist so stark vergrößert, dass sie wie eine weibliche Brust aussieht) und Unfruchtbarkeit führen kann.
  • Turner-Syndrom (XO): Personen mit nur einem X-Chromosom sind oft körperlich weiblich, haben jedoch eine geringe Körpergröße und unvollständig entwickelte Eierstöcke.
  • Congenitale adrenale Hyperplasie (CAH): Eine genetische Störung, die bei genetisch weiblichen (XX) Personen eine verstärkte Produktion von Androgenen verursacht, was zu einer Vermännlichung der äußeren Genitalien führen kann.
  • Ovotestikuläre DSD: Menschen mit dieser Variation haben sowohl Eierstock- als auch Hodengewebe, was zu unterschiedlichen Ausprägungen der Geschlechtsmerkmale führt.

Schätzungen zufolge weisen bis zu 1,7% der Bevölkerung intergeschlechtliche Merkmale auf, was zeigt, dass diese Variationen nicht so selten sind, wie oft angenommen wird.

Medizinische Eingriffe und Folgen bei Intersexualität

Intergeschlechtliche Menschen wurden historisch oft medizinischen Eingriffen unterzogen, um ihr Erscheinungsbild an binäre Geschlechtsnormen anzupassen. Solche Eingriffe wurden häufig in der frühen Kindheit und umfassten:

  • Genitaloperationen zur „Korrektur“ der äußeren Geschlechtsmerkmale
  • Gonadektomien, bei denen Keimdrüsen entfernt wurden
  • Hormontherapien, um die Entwicklung sekundärer Geschlechtsmerkmale in eine gewünschte Richtung zu lenken.

Genitaloperationen zur „Korrektur“ der äußeren Geschlechtsmerkmale werden häufig im Säuglings- oder Kindesalter durchgeführt, oft ohne informierte Zustimmung der betroffenen Person. Ziel dieser Eingriffe ist es, das äußere Erscheinungsbild der Genitalien als „eindeutig männlich“ oder „eindeutig weiblich“ darzustellen. Solche Operationen können jedoch zu Narbenbildung, Empfindungsverlust und psychischen Belastungen führen, da sie die körperliche Integrität und das Selbstbild der Betroffenen nachhaltig beeinflussen.

Ein weiterer häufiger Eingriff sind Gonadektomien, bei denen Keimdrüsen wie Hoden oder Ovarien entfernt werden. Diese werden oft vorgenommen, um ein „uneindeutiges“ Geschlecht zu verhindern oder vermeintlichen gesundheitlichen Risiken – etwa einem erhöhten Krebsrisiko – vorzubeugen. Neuere medizinische Erkenntnisse stellen jedoch infrage, ob solche Eingriffe tatsächlich notwendig sind oder ob weniger invasive Alternativen möglich wären. Die Entfernung der Keimdrüsen hat weitreichende Konsequenzen, da sie die natürliche Hormonproduktion stoppt und die Betroffenen lebenslang auf hormonelle Ersatztherapien angewiesen sind. Dies kann nicht nur körperliche Auswirkungen wie Knochen- und Herz-Kreislauf-Probleme, sondern auch psychische Belastungen zur Folge haben.

Hormontherapien werden eingesetzt, um die Entwicklung sekundärer Geschlechtsmerkmale, wie Körperbehaarung, Brustentwicklung oder Stimmveränderungen, in eine gesellschaftlich gewünschte Richtung zu lenken. Auch hier erfolgt die Entscheidung häufig ohne die voll informierte Zustimmung der Betroffenen, insbesondere wenn sie in jungen Jahren durchgeführt wird. Diese Therapien können körperliche Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme, Stimmungsschwankungen oder Veränderungen der Libido mit sich bringen. Gleichzeitig beeinflussen sie maßgeblich die körperliche Selbstwahrnehmung und die geschlechtliche Identität der intergeschlechtlichen Person.

Viele Betroffene berichten später von negativen gesundheitlichen und psychischen Folgen dieser Eingriffe, darunter Gefühlsverlust, chronische Schmerzen, Unfruchtbarkeit und Identitätskonflikte. In vielen Fällen wurden diese Maßnahmen durchgeführt, ohne dass die betroffenen Personen alt genug waren, um eine informierte Entscheidung zu treffen. Zahlreiche Menschenrechtsorganisationen, darunter Amnesty International und die Vereinigten Nationen, kritisieren diese Praxis als eine Form von Menschenrechtsverletzung.

In Österreich gibt es bislang kein spezifisches Gesetz, das nicht notwendige medizinische Eingriffe an intergeschlechtlichen Kindern ohne deren Zustimmung verbietet. Es gibt zwar eine wachsende gesellschaftliche und politische Debatte über dieses Thema, doch bislang fehlen konkrete gesetzliche Schutzmaßnahmen.

Auch medizinische Leitlinien entwickeln sich nach und nach weiter: Während früher Operationen zur „Normalisierung“ empfohlen wurden, plädieren heutige ethische Standards für einen zurückhaltenderen Umgang und die Berücksichtigung der Rechter der betroffenen Personen.

Rechtliche Entwicklungen rund um Intersexualität

In den letzten Jahren haben einige Länder gesetzliche Fortschritte erzielt, um die Rechte intergeschlechtlicher Menschen zu stärken. In Österreich wurde insbesondere durch Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) und des Innenministeriums die rechtliche Situation verbessert:

  • VfGH-Entscheidung 2018: Der Verfassungsgerichtshof entschied, dass intergeschlechtliche Personen das Recht haben, ihre individuelle Geschlechtsidentität im Personenstandsregister eintragen zu lassen. Dies ermöglichte die Einführung von Optionen außerhalb der binären Geschlechtskategorien.
  • Innenministeriumserlass 2020: Seither können im Zentralen Personenstandsregister neben „weiblich“ und „männlich“ auch „inter“, „divers“, „offen“ oder „keine Angabe“ als Geschlechtseintrag gewählt werden.
  • Fehlendes Gesetz zum Schutz vor nicht einvernehmlichen medizinischen Eingriffen: Trotz der Fortschritte gibt es in Österreich bisher keine spezifische gesetzliche Regelung, die medizinische Eingriffe an intergeschlechtlichen Kindern ohne deren ausdrückliche Zustimmung verbietet. Menschenrechtsorganisationen fordern daher dringend ein entsprechendes Schutzgesetz.

In anderen Ländern wie Deutschland gibt es bereits konkrete gesetzliche Regelungen, die solche Eingriffe untersagen. 2021 verabschiedete der Deutsche Bundestag ein Gesetz, das medizinische Eingriffe an intergeschlechtlichen Kindern nur dann erlaubt, wenn sie medizinisch notwendig sind und nicht bloß kosmetischen Zwecken dienen. Österreich könnte sich an solchen Modellen orientieren, um die Rechte intergeschlechtlicher Menschen weiter zu stärken.

Herausforderungen und Perspektiven für intergeschlechtliche Personen

Neben der rechtlichen Anerkennung ist die gesellschaftliche Akzeptanz eine zentrale Herausforderung für intergeschlechtliche Menschen. Viele Betroffene berichten von Diskriminierung und Stigmatisierung, die nicht nur aus Unwissenheit, sondern auch aus fest verankerten gesellschaftlichen Normen über Geschlecht und Körperbilder resultieren.

Fehlende Aufklärung in der breiten Öffentlichkeit führt häufig zu Vorurteilen und Missverständnissen, die den Alltag intergeschlechtliche Menschen erheblich beeinflussen können – von der Schule über den Arbeitsplatz bis hin zum Gesundheitswesen.

Eine umfassende gesellschaftliche Debatte sowie Bildungsmaßnahmen in Schulen, sozialen Einrichtungen und im Gesundheitswesen könnten maßgeblich dazu beitragen, diese Vorurteile abzubauen und ein inklusiveres Verständnis von Geschlecht zu fördern. Dabei sollten nicht nur biologische Fakten vermittelt, sondern auch soziale und psychologische Aspekte beleuchtet werden, um Empathie und Akzeptanz zu stärken.

Auch in der medizinischen Ausbildung besteht Nachholbedarf: Intergeschlechtliche Themen werden bislang kaum behandelt, wodurch Ärztinnen und Ärzte oft unzureichend auf die speziellen Bedürfnisse dieser Gruppe vorbereitet sind. Eine Sensibilisierung für die Vielfalt geschlechtlicher Ausprägungen und ein respektvoller Umgang mit den individuellen Anliegen intergeschlechtlicher Patient*innen sind essenziell, um Diskriminierung und Fehlbehandlungen zu vermeiden.

Die Schaffung von Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen spielt eine wichtige Rolle bei der Unterstützung Betroffener. Solche Anlaufstellen bieten nicht nur wertvolle Informationen, sondern auch den geschützten Raum, um Erfahrungen auszutauschen und sich zu vernetzen. Das Gefühl, nicht allein zu sein, kann entscheidend zur Stärkung der psychischen Gesundheit beitragen.

Sexualität und Geschlechtsverkehr bei intergeschlechtlichen Menschen

Ein oft weniger beachteter, aber sehr bedeutender Aspekt ist die Sexualität und das Erleben von Geschlechtsverkehr bei intergeschlechtlichen Menschen. Aufgrund der individuellen anatomischen und hormonellen Gegebenheiten kann die Sexualität sehr unterschiedlich und vielfältig sein. Hierbei ist es wichtig, keine normativen Erwartungen zu haben und stattdessen die individuellen Erfahrungen und Identitäten jeder Person zu respektieren.

Viele intergeschlechtliche Menschen erleben Verunsicherung und Schamgefühl, da gesellschaftliche Vorstellungen von Sexualität und Geschlechtsorganen oft stark normiert sind. Diese Erwartungen können zu körperlichen und emotionalen Herausforderungen führen, insbesondere wenn das eigene Körperbild nicht mit den gängigen Stereotypen übereinstimmt. Eine offene und wertfreie Kommunikation über Wünsche, Bedürfnisse und mögliche Unsicherheiten ist daher von zentraler Bedeutung.

Darüber hinaus können medizinische Eingriffe, die ohne ausreichende Aufklärung oder Zustimmung in der Kindheit oder Jugend vorgenommen wurden, das sexuelle Empfinden und die sexuelle Gesundheit nachhaltig beeinflussen. Hierzu zählen beispielweise operative Veränderungen an den Geschlechtsorganen oder hormonelle Behandlungen, die zu Sensibilitätsstörungen oder Schwierigkeiten bei sexuellen Reaktionen führen können.

Um intergeschlechtliche Menschen bestmöglich zu unterstützen, sind einfühlsame und gut informierte medizinische oder psychologische Beratungsangebote erforderlich.

Eine gesamtgesellschaftliche Offenheit, sowie die Förderung einer sexuellen Bildung, die Vielfalt nicht nur akzeptiert, sondern auch feiert, sind wesentliche Schritte, um intergeschlechtlichen Menschen ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben zu ermöglichen.

Die mangelnde Aufklärung über Intersexualität trägt maßgeblich zu diesen Herausforderungen bei. Etwa ein Drittel der befragten intersexuellen Personen empfindet es als großes Problem, dass Intersexualität noch immer als Krankheit betrachtet wird.

Beratung Intersexualität in Wien

Sollten Sie Fragen zu Intersexualität, geschlechtlicher Identität oder Sexualität haben oder sich in Ihrer persönlichen Situation Unterstützung wünschen, stehen wir Ihnen mit kompetenter und einfühlsamer Beratung zur Seite. Unsere spezialisierte Gynäkologin Dr. Ulrike Kaufmann nimmt sich Zeit für Ihre individuellen Anliegen und begegnet Ihnen mit Offenheit und Verständnis. Vereinbaren Sie jetzt einen Termin einfach online oder telefonisch unter +43 1 394 17 17 und lassen Sie sich umfassend und vertrauensvoll beraten – wir begleiten Sie auf Ihrem Weg zu mehr Klarheit und Wohlbefinden!