Miktionsstörungen

Miktionsstörungen – Wenn das Wasserlassen zur Belastung wird

Das Wasserlassen – medizinisch als „Miktion“ bezeichnet – gehört zu den natürlichsten Vorgängen des menschlichen Körpers. Unter normalen Bedingungen erfolgt es willentlich gesteuert, weitgehend beschwerdefrei und meist mehrfach täglich. Doch für Millionen Menschen weltweit ist die Miktion alles andere als selbstverständlich.

Sie leiden unter sogenannten Miktionsstörungen – also Beschwerden beim Wasserlassen –, die das Leben stark beeinträchtigen können. Von häufigem Harndrang über unkontrollierten Urinverlust bis hin zu Problemen beim Entleeren der Blase reichen die Symptome. Die Ursachen sind vielfältig, ebenso wie die therapeutischen Möglichkeiten.

In diesem Sante femme-Beitrag werfen wir einen genauen Blick auf die Miktion, ihre Störungen und die heute verfügbaren Behandlungsmethoden.

 

Was ist Miktion und wie funktioniert sie?

Miktion bezeichnet den physiologischen Vorgang der Harnentleerung. Dabei wird Urin, der in den Nieren produziert und über die Harnleiter in die Harnblase geleitet wurde, durch die Harnröhre nach außen abgegeben. Dies geschieht normalerweise willentlich, koordiniert und schmerzfrei. An diesem Prozess sind komplexe nervale, muskuläre und hormonelle Steuerungen beteiligt, die im gesunden Zustand perfekt zusammenarbeiten.

 

Der Ablauf der Miktion unterteilt sich in zwei Phasen:

  1. Füllungsphase:
    Die Blase dehnt sich aus, während der innere und äußere Schließmuskel geschlossen bleiben. Die Aktivität des Detrusormuskels (Blasenmuskel) ist gehemmt, die Blase bleibt ruhig. Die Blasenfüllung wird über sensible Rezeptoren registriert und an das zentrale Nervensystem weitergeleitet.
  2. Entleerungsphase:
    Ab einer bestimmten Füllmenge (meist ca. 300–500 ml) wird Harndrang verspürt. Die bewusste Entscheidung zur Entleerung aktiviert das Miktionszentrum im Gehirn, das wiederum den Detrusor kontrahiert und die Schließmuskeln erschlaffen lässt. Der Urin wird durch die Harnröhre ausgestoßen.

 

Diese Regulation erfolgt über ein fein abgestimmtes Zusammenspiel des peripheren und zentralen Nervensystems, insbesondere über das sakrale Rückenmark (S2–S4), das pontine Miktionszentrum im Hirnstamm sowie kortikale Zentren zur willentlichen Steuerung.

 

Was sind Miktionsstörungen?

Unter dem Begriff „Miktionsstörung“ werden sämtliche Beschwerden beim Wasserlassen zusammengefasst. Diese können sowohl die Entleerung der Harnblase als auch die Speicherung des Urins betreffen. In der medizinischen Terminologie spricht man auch von Speicher- und Entleerungsstörungen. Häufig treten beide Formen kombiniert auf.

 

Zu den typischen Symptomen zählen:

  • Häufiger Harndrang (Pollakisurie)
  • Nächtliches Wasserlassen (Nykturie)
  • Schmerzen beim Wasserlassen (Algurie)
  • Harnträufeln oder unvollständige Entleerung
  • Plötzlicher, starker Harndrang (imperativer Harndrang)
  • Harnverhalt (Ischurie)
  • Inkontinenz (unwillkürlicher Urinverlust)

 

Die Ursachen für Miktionsstörungen sind vielfältig. Sie reichen von hormonellen Veränderungen und neurologischen Erkrankungen über anatomische Veränderungen bis hin zu psychosomatischen Auslösern. Besonders häufig treten Miktionsprobleme bei älteren Menschen, Frauen nach der Geburt, Männern mit Prostatabeschwerden oder bei Menschen mit chronischen neurologischen Erkrankungen wie Multipler Sklerose oder Parkinson auf.

 

Miktionsstörungen Formen die häufig auftreten

Je nach Art der Störung unterscheidet man verschiedene Formen:

  • Belastungsinkontinenz:
    Unwillkürlicher Harnverlust bei körperlicher Belastung wie Husten, Niesen oder Lachen – häufig bei Frauen mit geschwächtem Beckenboden.

Die Belastungsinkontinenz wird in drei Schweregrade unterteilt:

    • Grad I: Harnverlust nur bei starker körperlicher Belastung (z. B. Heben).
    • Grad II: Harnverlust bei moderater Belastung (z. B. Gehen, Treppensteigen).
    • Grad III: Harnverlust bereits in Ruhe oder beim Positionswechsel.
  • Dranginkontinenz:
    Plötzlicher, starker Harndrang mit unkontrolliertem Urinabgang – oft im Zusammenhang mit einer überaktiven Blase.
  • Überlaufinkontinenz:
    Die Blase kann sich nicht vollständig entleeren, es kommt zu einem Überlaufen. Diese Form der Inkontinenz tritt besonders häufig bei Männern mit gutartiger Prostatavergrößerung (BPH) auf, aber auch bei Harnröhrenverengungen, Blasensteinen oder neurogenen Störungen. Die Blasenmuskulatur kann durch die chronische Überdehnung geschädigt werden, was den Teufelskreis weiter verstärkt. Frauen sind davon weniger betroffen.
  • Funktionelle Inkontinenz:
    Die funktionelle Inkontinenz beschreibt einen Urinverlust, der nicht durch anatomische oder neurologische Schäden der Harnwege verursacht wird, sondern durch äußere oder kognitive Einschränkungen. Die Blase und Harnröhre funktionieren normal – jedoch ist die betroffene Person nicht in der Lage, rechtzeitig die Toilette aufzusuchen.

 

Ursachen können sein:

    • Eingeschränkte Mobilität (z. B. nach einem Schlaganfall, bei Arthrose oder nach Operationen)
    • Demenz oder andere kognitive Defizite (Vergessen, wie man zur Toilette kommt oder den Harndrang zu interpretieren)
    • Psychiatrische Erkrankungen (z. B. Depression, Delir)
    • Seh- oder Koordinationsstörungen

 

Diese Form tritt besonders häufig bei älteren, pflegebedürftigen Menschen auf – etwa in Pflegeheimen. Die Therapie besteht in unterstützenden Maßnahmen wie Toilettentraining, Mobilitätsförderung, Hilfsmitteln (z. B. Haltegriffen, Toilettenstühlen) oder der gezielten Anpassung der Umgebung (z. B. gut erreichbare Toiletten, Nachtlichter).

  • Neurogene Blasenentleerungsstörung:
    Bei dieser Form der Miktionsstörung ist die nervale Steuerung der Blasenfunktion gestört. Abhängig davon, wo die Schädigung im Nervensystem liegt (z. B. im Gehirn, Rückenmark oder peripheren Nerven), unterscheidet man zwischen einer „hyperreflexen“ (überaktiven) und einer „areflexen“ (unteraktiven) neurogenen Blase.

 

Diagnostik: Wie erkennt man Miktionsstörungen?

Eine sorgfältige Diagnostik ist entscheidend für die gezielte Therapie. Neben einem ausführlichen Anamnesegespräch kommen folgende Verfahren zum Einsatz:

  • Miktionsprotokoll: Dokumentation von Trink- und Miktionsverhalten über mehrere Tage.
  • Urinuntersuchung: Ausschluss von Infektionen oder Entzündungen.
  • Restharnbestimmung: Per Ultraschall zur Erkennung unvollständiger Entleerung.
  • Uroflowmetrie: Messung der Harnflussrate.
  • Urodynamik: Erfassung der Blasen- und Schließmuskelfunktion.
  • Zystoskopie: Endoskopische Untersuchung bei Verdacht auf anatomische Ursachen.

 

Therapieformen bei Miktionsstörungen

Die Behandlung richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache, dem Schweregrad der Beschwerden und der Lebenssituation der betroffenen Person. Sie reicht von konservativen Maßnahmen über Medikamente bis hin zu operativen Verfahren.

Konservative Therapieansätze Miktionsstörungen

  • Beckenbodentraining

Insbesondere bei Belastungsinkontinenz ist gezieltes Training der Beckenbodenmuskulatur das Mittel der Wahl. Regelmäßige Übungen – idealerweise unter Anleitung von spezialisierten Physiotherapeutinnen oder Physiotherapeuten – stärken die muskuläre Kontrolle über die Harnröhre und können bei konsequenter Anwendung in bis zu 70 % der Fälle zur Beschwerdefreiheit führen.

  • Blasentraining

Vor allem bei Dranginkontinenz hilfreich: Durch geplante Toilettengänge und bewusstes Hinauszögern des Harndrangs kann die Blasenkapazität schrittweise erhöht werden. Ziel ist eine bessere Kontrolle über den Entleerungszeitpunkt.

  • Biofeedback und Elektrostimulation

Zur Unterstützung des Beckenbodentrainings kommen technische Hilfen wie Biofeedbackgeräte oder Elektrostimulation zum Einsatz. Besonders bei Patientinnen mit geringer Muskelwahrnehmung kann dies die Trainingseffektivität verbessern.

  • Lebensstilveränderungen

Eine Anpassung des Trinkverhaltens, Gewichtsreduktion bei Übergewicht sowie die Reduktion von Reizstoffen wie Koffein oder Nikotin können die Symptome deutlich lindern.

Medikamentöse Therapie

Je nach Störungsart stehen verschiedene Wirkstoffgruppen zur Verfügung:

  • Anticholinergika

Diese Medikamente blockieren muskarinerge Rezeptoren in der Blase und reduzieren unwillkürliche Detrusorkontraktionen. Sie werden bei überaktiver Blase und Dranginkontinenz eingesetzt. Häufige Nebenwirkungen sind Mundtrockenheit, Verstopfung und – besonders bei älteren Menschen – kognitive Einschränkungen.

  • Beta-3-Adrenozeptor-Agonisten

Ein neuer Therapieansatz ist Mirabegron, das die Blasenmuskulatur über Beta-3-Rezeptoren entspannt, ohne die typischen anticholinergen Nebenwirkungen. Besonders für ältere Patient*innen eine gut verträgliche Option.

  • Alpha-Blocker

Vor allem bei Männern mit Prostatavergrößerung (BPH) verbessern Alpha-1-Blocker wie Tamsulosin den Harnfluss, indem sie die glatte Muskulatur im Blasenausgang entspannen.

  • 5-Alpha-Reduktase-Hemmer

Diese Mittel verkleinern die Prostata langfristig und werden oft in Kombination mit Alpha-Blockern angewendet.

  • Desmopressin

Bei nächtlicher Polyurie kann Desmopressin – ein synthetisches Analogon des antidiuretischen Hormons – helfen, die nächtliche Urinproduktion zu reduzieren.

  • Botulinumtoxin A

Bei therapieresistenter überaktiver oder neurogener Blase kann Botulinumtoxin direkt in den Detrusor injiziert werden. Dies führt zu einer temporären Hemmung der Muskelaktivität, erfordert aber häufige Wiederholungen.

 

Interventionelle und operative Maßnahmen

Bei schwerwiegenden oder organisch bedingten Störungen sind operative Verfahren erforderlich.

  • TVT-/TOT-Bänder

Minimalinvasive Schlingenoperationen bei Belastungsinkontinenz der Frau haben sich seit Jahren bewährt. Dabei wird ein Band unter die Harnröhre gelegt, das diese bei Belastung unterstützt.

  • Transurethrale Resektion der Prostata (TURP)

Standardverfahren bei BPH-bedingter Obstruktion. Dabei wird das überschüssige Prostatagewebe über die Harnröhre entfernt.

  • Sakrale Neuromodulation

Bei funktionellen Entleerungsstörungen wird über ein implantiertes Gerät der Sakralnerv elektrisch stimuliert. Die Therapie zeigt bei ausgewählten Patientinnen und Patienten gute Langzeitergebnisse.

  • Artifizieller Schließmuskel

Bei schwerer Inkontinenz, z. B. nach Prostatektomie, kann ein künstlicher Sphinkter eingesetzt werden. Er wird vom Patienten selbst über ein Pumpensystem gesteuert.

  • Blasenaugmentation

In seltenen, schweren Fällen – etwa bei neurogener Blase – kann durch Darmimplantate die Blasenkapazität chirurgisch erhöht werden.

Miktionsstörungen früh erkennen, gezielt behandeln

Miktionsstörungen sind häufig, belastend und dennoch gut behandelbar. Die Herausforderung liegt in der individuellen Diagnostik und in der Wahl der passenden Therapie. Moderne medikamentöse und operative Verfahren bieten in vielen Fällen effektive Hilfe. Oft reichen schon einfache Maßnahmen wie Beckenbodentraining oder Blasentraining aus, um die Lebensqualität deutlich zu steigern. Wichtig ist, bei anhaltenden Beschwerden ärztlichen Rat einzuholen – je früher, desto besser.

 

Miktionsstörung-Diagnose Wien

Unsere spezialisierten Ärztinnen bei Santé femme nehmen sich Zeit für eine umfassende Beratung zum Thema Miktionsstörungen. Vereinbaren Sie jetzt Ihren Termin einfach online über unseren Terminkalender oder telefonisch unter +43 1 394 17 17.

 

Spezialistinnen Miktionsstörungen

 

Frauenärztin in Wien spezialisiert auf Urogynäkologie

 

Frauenärztin in Wien spezialisiert auf Urogynäkologie

 

 

Telefon: +43 1 394 17 17
Adresse: Auerspergstraße 17, 1080 Wien