Die Interstitielle Cystitis: Diagnostik und Therapie

Die Interstitielle Cystitis (kurz IC/BPS) ist eine nichtinfektiöse chronische Harnblasenerkrankung, die geprägt ist von Schmerzen, häufigem Wasserlassen am Tag (Pollakisurie) und in der Nacht (Nykturie), von zwingendem Harndrang in unterschiedlicher Ausprägung und der Kombination dieser Symptome.

IC/BPS-Patienten leiden häufig an Begleiterkrankungen wie:

  • Reizdarmsyndrom
  • Fibromyalgie
  • allgemeiner Erschöpfung
  • funktionellem somatischem Syndrom
  • neurologischen, rheumatologischen, und mentalen Erkrankungen

Die höchste Häufigkeitsrate ist bei Personen mittleren Alters vorzufinden, wobei Frauen neun Mal häufiger als Männer betroffen sind.

Die Betroffenen stehen unter enormem Leidensdruck: Schmerz und Harndrang mit bis zu 60 Toilettengängen tags und nachts führen nicht selten in die soziale Isolation und in die Erwerbsunfähigkeit. Leider ist die Interstitielle Cystitis schwer zu diagnostizieren und wird oft, wenn überhaupt, erst nach Jahren erkannt.

Krankheitsprozess

Wir verstehen den Krankheitsprozess der IC vorrangig als einen initial vorliegenden Immun- und Barrieredefekt im Gewebe der Harnblase, insbesondere in der Schleimhaut, dem sogenannten Urothel. Ein Defekt der Schleimhäute verändert die Barrierefunktion und führt zu einer chronischen Entzündung, die dann alle Schichten der Harnblasenwand betreffen kann.

Diagnostik

Eine umfassende IC-Diagnostik ist aufwendig und beruht auf mehreren Säulen:

  • Anamnese (Vorgeschichte der Krankheit aufnehmen)
  • Miktions- und Schmerztagebuch
  • 􏰀körperliche Untersuchung
  • Urinuntersuchung
  • Resturinprüfung
  • Harnblasenspiegelung (Zystoskopie)
  • Harnblasendehnungstest in Narkose (Distension)
  • Untersuchung der Vagina/Prostata
  • Ultraschall der ableitenden Harnwege
  • Kaliumchloridtest (Füllen der Harnblase mit einer Kaliumchlorid-Lösung) – optional
  • Probenentnahme aus der Harnblasenwand (Biopsie) – optional
  • Harnblasendruckmessung (Zystomanometrie) – optional

Therapiemöglichkeiten

  • Konservative Therapie: Lebensstillveränderung, Ernährung, Physiotherapie
  • Orale medikamentöse Therapie: Natrium-Pentosanpolysulfat, Antidepressiva, Antihistaminika
  • Harnblasenspülungen
  • Spezielle Verfahren: Electromotive Drug Administration (EMDA®)
  • Schmerztherapie: nichtsteroidale Antirheumatika, Lokalanästhetika, Akupunktur, Neuraltherapie
  • Komplementärmedizinische Therapie: Akupunktur, Mikrobiologische Therapie, Neuraltherapie, orthomolekulare Therapie mit Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen
  • Operationen als letztes Mittel in behandlungsresistenten Fällen und stationäre Rehabilitation

Lebensstilveränderung

Enge, unbequeme Kleidung, hohe Schuhe, Stress, bestimmte Sexualtechniken oder Sportübungen können Symptome auslösen oder verschlimmern und sollten daher vermieden werden, was individuell für jeden Patienten zu definieren ist.

Eine Verhaltenstherapie mit einer kontrollierten Flüssigkeitsaufnahme und Blasentraining kann die Häufigkeit des Harndrangs reduzieren.

Aufgrund des langen Krankheitsverlaufs werden bei Patienten oft Depressionen und/oder ein Erschöpfungszustand beobachtet. Diese können gezielt durch eine individuelle Therapie gebessert werden.

Oft werden Blockaden beobachtet, die sich durch Unwohlsein, Schmerzen ohne organisch erklärbare Ursache, Kältegefühl, Stauungsgefühl usw. zeigen. Eine gezielte Therapie der Depression und/oder des Erschöpfungszustandes muss durch einen Psychiater oder Psychotherapeuten erfolgen. Mit dieser Therapie können Depressionen und/oder Erschöpfungszustände gemindert werden.

Ernährung

90% der IC-Betroffenen berichten über Unverträglichkeiten gegenüber Nahrungsmitteln.

Aktuelle Umfragedaten haben darauf hingedeutet, dass der Konsum von Zitrusfrüchten, künstlichen Süßstoffen oder Zuckeraustauschstoffen, bestimmten Tee- oder Kaffee-Sorten, kohlensäure- oder alkoholhaltigen Getränken sowie scharfen Nahrungsmitteln den Schweregrad der Symptome bei IC erhöhen kann.

Eine kontrollierte Methode zur Identifizierung von potenziellen Nahrungsmittel- Unverträglichkeiten kann z.B. durch eine Ausschlussdiät eine wichtige Rolle im Heilungsprozess spielen.

Physiotherapie

Die Physiotherapie bei spezialisierten Beckenboden-Physiotherapeuten wird bei einer Beckenboden-Dysfunktion als erste Behandlungsoption empfohlen, da IC häufig mit einem überaktiven Beckenboden assoziiert ist.

Relaxatationstechniken wie die Kontraktions-Relaxations-Technik sowie Myofaszialtechniken wie die Triggerpunkt-Therapie, können den Beckenbodentonus senken, die Muskelfunktionen verbessern und myofasziale Schmerzen reduzieren.

Bei Pollakisurie, Nykturie und imperativem Harndrang ergaben Thielemassage und Dehnungen des Beckenbodens eine Verbesserung.

Für die die Entspannung des Beckenbodens wird auch die Vibrationstherapie mit einer speziellen Vibrationsplatte (5-10 Hz) empfohlen. Weitere Therapieoptionen sind Bindegewebs- und Fußreflexzonenmassage.

Selbsthilfetechniken

Selbsthilfetechniken können die Lebensqualität verbessern und die Schwere von „Anfällen“ oder Schüben verringern. Dazu gehören u. a.

  • Dokumentation des Krankheitsverlaufes
  • Änderungen des Lebensstils
  • Stressreduzierung
  • Änderung der Ernährungsgewohnheiten
  • darmregulierende Maßnahmen
  • Yoga, Qi Gong, Meditation, Musik
  • Harnblasentraining
  • leichte sportliche Betätigung, die die Durchblutung im Unterleib verbessert
  • Kontakte zu anderen Betroffenen
  • Erfahrungsaustausch

Die Interstitielle Cystitis ist eine chronifizierte Erkrankung, die sowohl für die Patienten als auch für den Therapeuten oft schwierig und unbefriedigend verläuft.

Die Behandlung sollte daher umfassend, interdisziplinär und multimodal unter Berücksichtigung des erweiterten biopsychosozialen Modells erfolgen, d.h: welche biologischen, psychologischen und Umweltfaktoren für diese Erkrankung prädisponieren, welche Faktoren sie auslösen und aufrechterhalten.

Für einen erfolgreichen Heilungsprozess ist eine enge Vernetzung zwischen niedergelassenen Therapeuten und speziellen Zentren anzustreben.

Auszug aus Patienteninformationsblatt von der Deutschen Gesellschaft für Urologie in Zusammenarbeit mit den an der S2K-Leitlinie „Therapie und Diagnostik der Interstitiellen Cystitis (IC/BPS)“ beteiligten Fachgesellschaften und Organisationen vom September 2018.

Bei uns können Sie sich bei Universitätsprofessorin Dr. Barbara Bodner-Adler, Fachärztin für Urogynäkologie und rekonstruktiver Beckenbodenchirurgie, beraten lassen. Ihren Termin können Sie über die Online-Terminvereinbarung oder unter +43 1 394 17 17 buchen.