Ein gesunder Beckenboden ist von großer Bedeutung für die Lebensqualität von Frauen. Während der Schwangerschaft und insbesondere bei der Geburt kann der Beckenboden jedoch belastet werden und es können Funktionsstörungen auftreten. In diesem Beitrag werfen wir einen Blick auf die Risikofaktoren für Beckenbodenfunktionsstörungen und effektive Präventionsstrategien zur Risikominimierung.
Risikofaktoren für Beckenbodenfunktionsstörungen nach der Geburt
Eine große epidemiologische Studie in Australien untersuchte die Häufigkeit von Beckenbodenfunktionsstörungen und ihren Zusammenhang mit verschiedenen Faktoren wie Alter, Geschlecht, Anzahl der Geburten und Geburtsmodus. Die Ergebnisse zeigten, dass das Risiko für Beckenbodenfunktionsstörungen im Vergleich zu Frauen ohne Geburt signifikant mit dem Geburtsmodus verbunden war.
Weder ein Kaiserschnitt noch eine vaginale Geburt oder eine Geburt mit Hilfe von Zangen unterschieden sich erheblich voneinander. Alle drei Geburtsarten erhöhten das Risiko für Beckenbodenfunktionsstörungen, wobei jedoch ein wesentlicher Unterschied zwischen Kaiserschnitt und vaginal-operativer Entbindung festgestellt wurde:
Es wurde deutlich, dass Beckenbodenfunktionsstörungen sehr häufig sind und stark mit dem weiblichen Geschlecht, dem Alter, der Schwangerschaft, der Anzahl der Geburten und der vaginal-operativen Entbindung verbunden sind. Ein Kaiserschnitt reduziert im Vergleich zur vaginalen Geburt nicht das Risiko langfristiger Schäden am Beckenboden.
Schwangerschaft und Beckenbodenfunktionsstörungen
Auch die Schwangerschaft selbst führt bereits zu Veränderungen des Beckenbodens. Hormonelle Veränderungen während der Schwangerschaft beeinflussen dabei die Muskeln und das Bindegewebe im Beckenbereich. Darüber hinaus verschiebt sich der Körperschwerpunkt und der Hiatus urogenitalis weitet sich.
Diese Veränderungen können zu einer Harninkontinenz während der Schwangerschaft führen, wobei die meisten Symptome innerhalb eines Jahres reversibel sind. Frauen, die bereits vor der Schwangerschaft eine Inkontinenz hatten, haben ein höheres Risiko für eine anhaltende Inkontinenz nach der Geburt.
Vaginale operative Entbindungen und Episiotomie
Der vaginale operative Entbindungsmodus, einschließlich Vakuum- und Forcepsentbindungen, kann negative Auswirkungen auf den Beckenboden haben. Es treten häufiger Verletzungen auf, insbesondere im hinteren Bereich und es kann zu Stuhl- und Harninkontinenz kommen. Untersuchungen haben gezeigt, dass Forceps zwar effektiver sind, aber mit einer höheren Rate an sekundären Kaiserschnitten, schwereren Geburtsverletzungen und Inkontinenz verbunden sind.
Ein weiterer Faktor, der den Beckenboden beeinflusst, ist die Episiotomie, ein Dammschnitt während der Geburt. Die selektive Anwendung der Episiotomie kann den Beckenboden schonen und das Risiko von Funktionsstörungen verringern.
Präventionsstrategien für Inkontinenz in der Schwangerschaft und nach der Geburt
Um das Risiko von Beckenbodenfunktionsstörungen zu minimieren, sollten modifizierbare Risikofaktoren reduziert werden. Dazu gehört die Vermeidung von vaginal-operativen Entbindungen und der selektive Einsatz der Episiotomie. Ein prophylaktisches Beckenbodentraining während der Schwangerschaft kann ebenfalls das kurzfristige Risiko für Harninkontinenz reduzieren.
Effektive Präventionsstrategien zur Vermeidung von Funktionsstörungen des Beckenbodens während der Schwangerschaft umfassen:
- Beckenbodentraining: Regelmäßiges Beckenbodentraining während der Schwangerschaft kann die Muskelkraft und -funktion des Beckenbodens verbessern. Es umfasst das gezielte Anspannen und Entspannen der Beckenbodenmuskulatur, um sie zu stärken und die Kontrolle über die Blase und den Darm zu verbessern. Ein Physiotherapeut oder eine Hebamme kann dabei helfen, die richtigen Übungen und Techniken zu erlernen.
- Körperliche Aktivität: Regelmäßige körperliche Aktivität während der Schwangerschaft kann dazu beitragen, den Beckenboden zu stärken. Aktivitäten wie Gehen, Schwimmen, spezielle Schwangerschaftsgymnastik oder Yoga können den Beckenboden unterstützen und die Durchblutung verbessern.
- Gewichtskontrolle: Ein gesundes Gewicht während der Schwangerschaft zu halten ist wichtig, um den Druck auf den Beckenboden zu reduzieren. Übergewicht kann zu zusätzlicher Belastung führen und das Risiko von Beckenbodenproblemen erhöhen. Eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige Bewegung können dabei helfen, das Gewicht in einem gesunden Bereich zu halten.
- Vermeidung von schwerem Heben: Das Heben schwerer Gegenstände kann den Beckenboden zusätzlich belasten. Schwangere Frauen sollten daher darauf achten, schwere Lasten zu vermeiden oder diese mit Unterstützung zu heben, um den Beckenboden zu entlasten.
- Vermeidung von Verstopfung: Verstopfung kann zu starkem Pressen beim Stuhlgang führen und den Beckenboden belasten. Eine ballaststoffreiche Ernährung, ausreichende Flüssigkeitszufuhr und körperliche Aktivität können dazu beitragen, eine gesunde Verdauung aufrechtzuerhalten und Verstopfung zu vermeiden.
- Korrekte Körperhaltung: Eine gute Körperhaltung ist wichtig, um den Beckenboden zu unterstützen. Schwangere Frauen sollten darauf achten, aufrecht zu sitzen und zu stehen, die Körperhaltung zu bewahren und das Becken nicht nach vorne zu neigen.
Schwangerschaft und Geburt können zu Funktionsstörungen des Beckenbodens führen, aber mit der richtigen Aufklärung und Prävention können die Risiken minimiert werden. Es ist wichtig, dass Schwangere mit ihrem/r Arzt/in, einer Hebamme oder einem/r Physiotherapeuten/in sprechen, um individuelle Ratschläge und Anleitungen zur Prävention von Funktionsstörungen des Beckenbodens zu erhalten.
Eine umfassende Beratung während der Schwangerschaft und nach der Geburt sind entscheidend, um Frauen über die möglichen Auswirkungen auf den Beckenboden aufzuklären und ihnen wirksame Präventionsstrategien aufzuzeigen.
Jeder Fall ist einzigartig und eine individuelle Betreuung kann dabei helfen, die besten Präventionsstrategien für jede schwangere Frau zu entwickeln. Indem wir das Bewusstsein für diese Problematik schärfen, können wir dazu beitragen, die Lebensqualität betroffener Frauen zu verbessern.
*basiert auf dem Artikel von Univ -Prof. Dr. Barbara Bodner-Adler, FÄ für Gynäkologie und Geburtshilfe, Leiterin der Ambulanz für Urogynäkologie und Beckenbodenchirurgie an der Universitätsfrauenklinik Wien. JATROS, Gynäkologie & Geburtshilfe 4/2017.